Zwölf Jahre wohlfühlen pur!

Vom ausrangierten Messepavillon zum Einfamilien-Passivhaus

Zwölf Jahre wohlfühlen pur!


[Dieser Bericht wurde anlässlich 12 Jahre Passivhausscheibe Salzkammergut in der Fachzeitschrift Mikado im März 2012 veröffentlicht]


Der Auftrag, mit dem sich der Bauherr Günter Lang vor dreizehn Jahren an den Vorarlberger Architekten Hermann Kaufmann wandte, war einigermaßen ungewöhnlich: Er habe einen kreisrunden ausgedienten Messepavillon und wolle, dass daraus mit einem Minimum an Technik und einem Maximum an Einsparung ein Einfamilienhaus werde. Schließlich hatte er 1997 erstmals bei einer Tagung über energieeffizientes Bauen von Dr. Wolfgang Feist vom Passivhaus Institut in Darmstadt über die enorme Komfortsteigerung bei gleichzeitig 80% Energieeinsparung gehört, womit für ihn der Entschluss fest stand dies selbst beim eigenen Bauvorhaben gleich einmal umzusetzen.

Heute ist die Passivhausscheibe Salzkammergut, wie das kreisrunde Einfamilienhaus in Roitham gerne genannt wird, fast schon ein Kultobjekt. Das Passivhaus erzielt durch seine energetisch und ökologisch konsequente Umsetzung gemäß den klima:aktiv Passivhauskriterien 970 von 1000 möglichen Punkten! In den 12 Jahren seit Bestehen wurde das außergewöhnliche Haus bereits von weit über 2.500 Besuchern aus der ganzen Welt besichtigt.

Als mustergültiges Passivhaus hat es den OÖ. Umweltschutzpreis 1998 gewonnen und wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im Jahr 2000 im Rahmen der Programmlinie „Haus der Zukunft“ für beachtenswerte Pionierleistungen ausgezeichnet. Schließlich war es damals 1999 erst das zweite Passivhaus in ganz Oberösterreich, und sollte in den Folgejahren auch viele Besucher zur Inspieration für ihr eigenes Bauvorhaben geleiten.

Das nicht unterkellerte, ebenerdige Haus mit einem Außendurchmesser von 15 Metern verzichtet bewusst auf unnötige Baumassen. Es nutzt die Grundfläche durch minimale Verkehrswege voll als Wohnraum aus und setzt auf Wiederverwertung der Holzleimbinderkonstruktion des alten Messecafés. Aus dessen alten Kojentrennwänden sind beispielsweise Bücherregale fabriziert worden.

Optimale Thermohülle ermöglicht Low Tech Haus

Das Energiekonzept des Rundhauses ist noch immer pionier- und beispielhaft:

Das Gebäude weist trotz seines relativ schlechten Oberflächen / Volumen Verhältnis einen hervorragenden Heizwärmebedarf von lediglich 13,7 kWh/m² nach PHPP, bzw. 10 kWh/m²a nach dem OÖ. Energieausweis gerechnet auf.

Vergleichsweise einer Thermoskanne sind Gebäudehülle und Fenster extrem gut gedämmt und frei von Wärmebrücken.

So ist die Holzriegelwand mit 40 cm Mineralwolle gedämmt, und durch die I-Träger und der zusätzlichen Installationsebene Wärmebrückenfrei und luftdicht ausgeführt. Der Duo-Dachaufbau ist stattliche 53 cm dick gedämmt, und bringt es auf einen U-Wert von 0,08 W/m²K. Das Gründach bietet einen zusätzlichen Wärme- und Wasserpuffer und einen Kräutergarten, der Auge, Gaumen und Natur erfreut. Die Luftdichtheit des Gebäudes hat sich auch nach zwölf Jahren nach einer Kontrollmessung mit einem Wert von 0,42 1/h nicht verändert.

Die gesamte Haustechnik mit kontrollierter Wohnraumlüftung samt hocheffizienter Wärmerückgewinnung, Kleinstwärmepumpe und Warmwassererzeugung hat durch das Kompaktaggregat auf kleinsten Raum in der Toilette Platz. Dazu kommen ein Erdreichwärmetauscher zur Luftvorerwärmung, und ein Bioalkoholofen als Reserve, der für eine stimmungsvolle Strahlungswärme pro Jahr gerade einmal 10 Liter Bioalkohol benötigt.

Nur 250 Euro pro Jahr für´s Heizen und Warmwasser


Bei den jährlichen Energiekosten für Lüftung, Raumwärme und Warmwasser bleibt einem fast der Mund offen. Zusammen fallen nur 250 Euro an. Das ist weniger, als seit 2010 bei einem durchschnittlichen Haus alleine die jährliche Heizkostensteigerung ausgemacht hat!

Wer nun meint die Familie Lang müsste spartanisch und ständig fröstelnd hausen, liegt weit daneben. Der Besitzer nach zwölf Jahren Wohnerfahrung: "Wir würden nie mehr auf den Wohnkomfort eines Passivhauses verzichten wollen. Die permanent frische, staub- und pollenfreie Luft in allen Räumen und kein störender Straßenlärm sind ein enormer Gewinn an Behaglichkeit." Und Lang weiter, „Es ist einfach herrlich, wenn man in der Früh im Schlafzimmer voll relaxt aufwacht, weil die CO2-Konzentration selbst bei geschlossenen Fenstern mit 800 ppm immer im gesunden Bereich liegt. In konventionellen Gebäuden ohne Komfortlüftung steigt dieser Wert hingegen jede Nacht weit über die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO.“

Vom ersten Tag an ein Gewinn

Was Häuselbauer in der Regel noch mehr beschäftigt als die Ökologie, sind die Kosten. Auch sie machen einen staunen: Langs Scheibe kam mit einer Nutzfläche von 140 Quadratmetern, weil er die Tragkonstruktion nahezu geschenkt bekam, auf 140.000 Euro. In regulärer Fertigung wäre sein Passivhaus damals um 1.450 Euro/m² herstellbar gewesen. Damit hat sein Passivhaus nicht mehr gekostest als damals ein vergleichbares Gebäude nach Bauordnung mit energetischen Mindeststandards und fehlendem Komfort gekostet hätte. Grundsätzlich gelte, so der Passivhausexperte: "Ein Passivhaus kostet in der Regel zwar 2 - 4 Prozent mehr. Wegen erhöhter  Wohnbauförderung und der gewaltigen Energieeinsparung ist es aber vom ersten Tag an, von der ersten Rückzahlungsrate an deutlich billiger als jedes vergleichbare Niedrig- oder Niedrigstenergiehaus." Energiepreissteigerungen können so Passivhausbewohner nicht erschüttern, sie haben mit ihrem Haus die beste Pensionsvorsorge.

Für den Bauingenieur Günter Lang ist sein außergewöhnliches Haus längst zum Beruf geworden. Die gewonnenen Praxiserfahrungen bei der Errichtung und über den enormen Wohnkomfort beim eigenen Passivhaus waren Grund genug, die positiven Erfahrungen dem Bauwesen auf breiterer Ebene zu vermitteln. Er ist heute mit LANG consulting (www.langconsulting.at) selbständiger Konsulent für Passivhäuser und war zudem in Summe 10 Jahre Geschäftsführer der "IG Passivhaus Österreich" und IG Passivhaus Oberösterreich“ (www.igpassivhaus.at).

Die Passivhausscheibe Salzkammergut war 1999 eines der ersten Passivhäuser in Oberösterreich. Mittlerweile stehen mit Ende 2011 in ganz Österreich bereits über 11.500 Passivhäuser, die in Summe bereits eine Nutzfläche von 6,7 Millionen Quadratmeter aufweisen. Waren es anfänglich großteils Einfamilienhäuser werden heute großvolumige Wohnhausanlagen ebenso in Passivhaus Standard errichtet, wie öffentliche oder Gewerbebauten mit mehreren Zehntausend Quadratmetern Nutzfläche. Immer häufiger handelt es sich dabei auch um Altbausanierungen zum Passivhaus.