Europaparlament setzt auf verpflichtende Energieeffizienz

Brüssel, den 28. Februar 2012

 
Der Industrie-, Forschungs- und Energieausschuss des Europaparlaments hat am 28.02.2012 den Bericht des Ausschussvorsitzenden und grünen Europaabgeordneten Claude Turmes zur Effizienz-Richtlinie angenommen. Claude Turmes, Berichterstatter zur Energieeffizienzdirektive und EUFORES President, erklärt:

"Ich begrüsse, dass mit diesem Votum eine breite parteipolitische Allianz über alle Parteigrenzen möglich wurde. Selbst die umstrittene Frage notwendiger Nachbesserungen beim EU-Emissionshandel wurde einvernehmlich gelöst. Der Industrieausschuss hat sich heute auf 18 Kompromisse geeinigt, die die Mehrzahl der 2200 Änderungsanträge zusammenführen.

Mit der heutigen Abstimmung setzt das Europaparlament auf Energieeffizienz, der besten und kostengünstigsten Form des Klimaschutzes, die zudem beschäftigungspolitisch Sinn macht: Bis zu zwei Millionen neue Arbeitsplätze können durch Energieeffizienz insbesondere im Baubereich entstehen. Zudem zahlen sich die Investitionen auch haushaltspolitisch aus: Wie das Beispiel des Fördersystems KfW zeigt, können mit einem Euro aus den öffentlichen Haushalten 20 Euro private Investitionen im Bereich Effizienz angestossen werden und schliesslich fünf Euro wieder zurück ins nationale Budget fliessen.

Das heutige Votum ist auch ein gutes Zeichen für Verbraucher: Die beschlossenen Massnahmen wirken als Kostenbremse gegen immer weiter steigende Energiepreise. Das Europaparlament fordert europaweit die Energieeffizienzberatung zu verstärken, die Dienstleistungen rund ums Energiesparen sowie die Vorfinanzierung durch die öffentliche Hand oder durch Auflagen für Gas- und Stromkonzerne konsequent auszubauen.

Diese Effizienzdirektive wird auch das inakzeptable Umverteilungsprogramm stoppen, das die öffentlichen und privaten Haushalte schröpft und die Energieriesen segnet: Durch Investitionen in Effizienz können 50 Milliarden von den 400 Milliarden Euro eingespart werden, die pro Jahr durch den Import von Energie aus der EU fliessen.   

Konkret haben sich die Europaabgeordneten heute für ein verbindliches 20 Prozent Effizienzziel zum Horizont 2020 ausgesprochen, mit klaren nationalen Unterzielen und transparenten und kontrollierten nationalen Effizienz-Verlaufskurven. Mitgliedstaaten müssen in nationalen "Roadmaps" darlegen, wie sie im Gebäudebereich bis zum Jahr 2050 zu 80 Prozent Einsparungen kommen; 2,5 Prozent der öffentlichen Gebäude müssen pro Jahr tiefgreifend renoviert ("Deep renovation") werden. (Anm. der Redaktion: Unter "Deep renovation" versteht man Sanierungen mit einer Energieeinsparung von mindestens 75 - 80%.) Energieunternehmen werden zudem dazu verpflichtet, jedes Jahr 1,5 Prozent Energie gegenüber dem Vorjahr einzusparen. Nicht zuletzt werden mit dem heutigen Votum auch verbindliche Finanzierungsinstrumente zur Förderung der Energieeffizienz geschaffen und eine bessere Information der Verbraucher über ihren Energieverbrauch garantiert."

 

Österreichs Bundesregierung bremst voll bei Energieeffizienz

Nun fehlt nur noch die Zustimmung des Rats, also der Mitgliedsstaaten. Und genau hier spielt die Bundesregierung bislang eine beschämende Rolle: eine der zentralen verbindlichen Maßnahmen ist eine jährliche Energieeinsparung von 1,5 Prozent auf Ebene der Mitgliedsstaaten. Österreichs Bundesregierung versucht nun in den Verhandlungen sogenannte early actions einzufordern, eine Einrechnungsmöglichkeit der bereits seit dem Jahr 2000 (!!) getätigten Maßnahmen in die zukünftigen jährlichen Einsparungsziele. Oberösterreichs Energie-Landesrat Rudi Anschober dazu: "Diese Position der Bundesregierung empört viele. Denn das würde die Chance, das 20-Prozentziel doch noch zu erreichen, zerstören, denn wie soll man eine Zielverfehlung doch noch korrigieren, wenn alte bereits erfolgte Maßnahmen dafür zugelassen werden. Ich appelliere eindringlich an die Bundesregierung, diese Blockadepolitik aufzugeben und dem Effizienzbeschluss des Europaparlaments zuzustimmen. Das schafft viele neue Jobs, Klimaschutz und Einsparungen in allen Bereichen."

 

Trumes überzeugt sich selbst von der Realisierbarkeit in Wels

Das die verpflichtende Energieeffizienz-Richtlinie mit einer 20 prozentigen Energieeffizienzsteigerung bis 2020 keine Uptoie ist und heute bereits wirtschaftlich und technisch umsetzbar ist und "Green jobs" schafft, konnte sich Claude Trumes am 1.3.2012 am Rande der "World Sustainable Energy Days 2012" bei der Besichtigung zweier Altbausanierungen auf Passivhaus-Standard in Wels selbst überzeugen. Arch. Heinz Plöderl und Günter Lang führten ihn durch die Vorbildsanierung des Gewerbebetriebes Fronius und dem energieautonomen Stadtquartier in Wels.

"Bei Sanierungen von öffentlichen Bauten mit mehr als 80% Energieeinsparung existieren in Österreich alleine bereits über 50 Best Practice Beispiele und Europaweit über 150 Best Practice Beispiele für alle Gebäudenutzungen im öffentlichen Sektor. Dabei ist es gerade einmal 7 Jahre her als Österreichs erste Altbausanierung - die Schulsanierung Schwanenstadt - als herausragendes Pilotprojekt durchgeführt wurde", untermauert Günter Lang die Maßnahmen in der Energieeffizienz-Richtlinie. All diese Projekte weisen zudem für die öffentliche Hand als Bauherr eine positive wirtschaftliche Bilanz auf.

Als führende Regionen haben sich einmal mehr Vorarlberg und Frankfurt etabliert. In Vorarlberg sind aktuell 16 öffentliche Bauten und in der Stadt Frankfurt 11 öffentliche Bauten mit einer mindestens 80%-igen Energieeinsparung saniert worden oder gerade in Umsetzung. Diesen Schwung gilt es weiter zu forcieren anstatt durch "early actions" auszubremsen. Es gilt also diese enorme Chance auch für den Wirtschaftsaufschwung und die Arbeitsplatzschaffung durch "Green Jobs" in Europa jetzt rasch zu nutzen. Die Anrechnung von "early actions" würde hingegen hingegen einem "Green Jobs Killer" gleichkommen. Und dies kann doch nicht Ziel einer weitsichtigen österreichischen Wirtschaftspolitik sein, oder doch?

Die detaillierten Informationen zur "Energy Efficiency Directive" wie sie im ITRE  Industry, Research and Energy Ausschuss beschlossen wurden finden sich hier: