Passivhaus-Effizienz macht Energiewende zum Erfolgsmodell

Der Bausektor ist für den Klimaschutz entscheidend: Gut ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs weltweit fließt in den Betrieb von Gebäuden. Wie dieser Verbrauch um bis zu 90 Prozent reduziert werden kann, zeigten Experten aus aller Welt am 25. und 26. April auf der Internationalen Passivhaustagung in Aachen. In ihren Vorträgen wurde die ganze Bandbreite des energieeffizienten Bauens und Sanierens abgedeckt. Am Beispiel aktueller Projekte und Lösungsansätze wurde dabei deutlich, dass Passivhaus-Technik bei praktisch jeder Gebäudeart auch finanziell erhebliche Einsparungen ermöglicht.

„Das Passivhaus ist wegweisend für den Klimaschutz“, sagte Johannes Remmel, Umweltminister des Landes Nordrhein-Westfalen. „Der Standard erfüllt schon heute die künftige Norm der Europäischen Gebäuderichtlinie. Zugleich sind die Bewohnerinnen und Bewohner kaum noch von Energiepreis-Schwankungen betroffen. In der Region Aachen sind in den vergangenen 20 Jahren vorbildhafte Projekte im Passivhaus-Standard entstanden. Neben zahlreichen Wohn- und Bürogebäuden gibt es mehrere Passivhaus-Schulen und sogar eine mit Passivhaus-Komponenten sanierte Kirche im nahegelegenen Heinsberg.

Die Bedeutung energieeffizienter Gebäude für den Klimaschutz wird auch im aktuellen 5. Report des Weltklimarats IPCC hervor gestrichen. „Ob die dringend notwendige Wende bei Energieverbrauch und Treibhausgasreduktion gelingen wird, hängt maßgeblich an den Erfolgen im Gebäudesektor. Mit 80 Prozent Verbesserung der Energieeffizienz im Neubau und 90 Prozent Verbesserung in der Sanierung bringt der Passivhaus-Standard die größten Effekte und ist gleichzeitig eine sehr kostengünstige Maßnahme“, betonte Frau Prof. Diana Ürge-Vorsatz, eine der leitenden Autorinnen des Mitte April vorgelegten Berichts. Würde dies beispielsweise konsequent in Ungarn umgesetzt werden, würde sich der Import russischen Erdgases in den Wintermonaten um ganze 59 Prozent reduzieren. Das würde nicht nur die Abhängigkeit von Russlands Willkür drastisch verringern, sondern auch einen starken Wirtschafts- und Arbeitsmarkt- Aufschwung bewirken – nicht nur in Ungarn.

„Mit dem Passivhaus gibt es eine zehntausendfach bewährte Lösung, mit der jeder Bauherr zum Klimaschutz beitragen kann“, sagte Feist, Gründer und Leiter des Passivhaus Instituts. Gleichzeitig sei das Passivhaus weit mehr als ein Niedrigenergiehaus. Der Standard stehe für exzellenten Wohnkomfort, integrierte Bauqualität und vor allem Wirtschaftlichkeit. „Zusätzliche Investitionen sind durch die eingesparten Heizkosten nach wenigen Jahren ausgeglichen. Die Verbesserung der Energieeffizienz des eigenen Gebäudes ist damit eine attraktive Anlagemöglichkeit.“

Die vom Passivhaus Institut organisierte Internationale Passivhaustagung findet seit 1997 statt. An der diesjährigen Tagung haben über 1.000 Branchen-Experten aus 45 Ländern teilgenommen, darunter auch exotische Länder wie Brunei, Neuseeland, Saudi Arabien oder Mongolei. Aus Österreich waren 43 Teilnehmer, wovon die Passivhaus Austria mit 30 Teilnehmern sehr stark vertreten war.

Die fast einhundert Fachvorträge der Tagung deckten ein breites Spektrum ab: von den Herausforderungen beim Bau von Passivhäusern in verschiedenen Klimazonen bis hin zu den Erfahrungen etwa mit Supermärkten oder Hallenbädern im Passivhaus-Standard. Ein Fokus galt zudem den bevorstehenden Entwicklungen im Bausektor, die maßgeblich von der Europäischen Gebäuderichtlinie geprägt sein werden. Pat Cox, der 21. Präsident des Europäischen Parlaments, unterstrich deren Bedeutung mit einem begeisternden Bericht über seine positiven Erfahrungen in seinem eigenen Passivhaus in Irland.

Das Passivhaus – der Standard für das „Nearly Zero Energy Building“
Das weltweit erste Passivhaus wurde vor mehr als 20 Jahren in Darmstadt gebaut. Inzwischen hat sich der Standard international etabliert. Mit der Gebäuderichtlinie der EU wird ab 2021 das so genannte „Nearly Zero Energy Building“ zur Norm. Erreicht wird diese etwa durch eine Kombination des Passivhauses mit der Nutzung erneuerbarer Energien.

Das Passivhaus Institut greift dieser Entwicklung mit der Einführung neuer Kategorien bei der Zertifizierung voraus: Künftig wird nicht nur der Energiebedarf berücksichtigt, sondern auch die Energieerzeugung am Gebäude, etwa durch Photovoltaik. Feist stellte in seinem Abschlussvortrag zudem eine neue Methode für die ökologische Gesamtbewertung des Energiebedarfs von Gebäuden vor. Als Referenz gilt dabei ein zukunftsfähiges Szenario, in dem, verbunden über das Stromnetz, nur noch erneuerbare Energien genutzt werden.

Großen Anklang vor allem bei den Planern und Architekten unter den insgesamt über 1.000 Tagungsbesuchern fand die Präsentation des neuen 3D-Tools designPH. Die auf SketchUp basierte Software ermöglicht eine grafische Eingabe energetisch relevanter Entwurfsdaten – thermische Gebäudehülle und Verschattungen werden automatisch erfasst und lassen sich bei Bedarf optimieren. Das Ergebnis kann mit wenigen Klicks in das international etablierte Projektierungswerkzeug PHPP exportiert werden.

Dass umwelt- und klimafreundliches Bauen nicht nur wirtschaftlich ist, sondern zugleich die Architektur bereichert, zeigt der Passive House Award – der Architekturpreis für Passivhäuser, welcher am 25. April in Aachen verliehen wurde.

Eine Auswahl an Fotos finden Sie auf  der Flickrseite der iPHA sowie auf der Facebookseite der Passivhaus Austria.