Road to ZERO by 2050

Vergangenen Samstag ist in Paris erstmals ein global gültiges Klimaschutzabkommen vereinbart worden. Es sieht vor, die globale Erwärmung soweit wie möglich unter zwei Grad zu halten und alles zu unternehmen, damit sie 1,5 Grad nicht übersteigt. Für Österreich bedeutet das, dass der Umstieg auf 100 % erneuerbare Energie bis spätestens 2050 gelingen muss und wir eine Energie- und Klimastrategie ausarbeiten müssen, die den Weg dahin klar aufzeigt. Der Gebäudesektor spielt dabei eine Schlüsselrolle.

Der Raumwärmeverbrauch muss um mindestens 30 % bis 2030 und 50 % bis 2050 reduziert werden, wenn es gelingen soll, den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energie zu schaffen. "Die Politik darf es nach dem Abschluss eines Klimaschutzabkommens nicht bei schönen Worten bleiben lassen, sondern muss jetzt Taten setzen. Bis spätestens 2050 muss der Umstieg auf 100 % erneuerbare Energie gelingen, dazu ist es notwendig, den gesamten Gebäudebestand thermisch zu sanieren. Wir müssen jetzt die Anstrengungen drastisch erhöhen, mehr Fördermittel bereitstellen und sicherstellen, dass Öl- und Gasheizungen bei Neubauten in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen," so Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von GLOBAL 2000.

Robert Lechner - ÖGNB + Ökologie Institut, Bernhard Zlanabitnig - EU-Umweltbüro im Umweltdachverband, Günter Lang - Passivhaus Austria, Doris Holler - Ökonews, Johannes Wahlmüller - GLOBAL 2000, Helmut Krapmeier - Energieinstitut Vorarlberg; Credits: Passivhaus Austria

Schluss mit umweltschädlichen Subventionen
„Die österreichische Politik ist jetzt gefordert, dem Klimaschutz in einer ökologischen Steuerreform Ausdruck zu verleihen. Das Ziel, die globale Erwärmung bei 1,5°C einzudämmen, kann nur erreicht werden, wenn neben der Förderung erneuerbarer Energien endlich umweltschädliche Subventionen beseitigt werden,“ meint Bernhard Zlanabitnig, Leiter des EU-Umweltbüros im Umweltdachverband. „Darüber hinaus müssen Energie-Effizienzmaßnahmen auch im Gebäudebereich deutlich gesteigert werden. Bestehende Potenziale werden derzeit nicht ausgeschöpft.“ Andere europäische Metropolen zeigen, wie es gehen kann: so gilt seit 1.1.2015 in ganz Brüssel das Passivhaus als Mindeststandard nach Bauordnung – vollkommen unabhängig welche Gebäudenutzung.

Trotz fortschreitendem Klimawandel werden hierzulande keine wirkungsvollen steuerrechtlichen Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes gesetzt. „Die Einführung einer CO2-Steuer hätte sowohl lenkende Wirkung als auch positive Auswirkungen auf den Staatshaushalt, deren Mehreinnahmen direkt in einen Fonds zur Forschung und Förderung innovativer Energieerzeugungs- und Energiespeicherformen fließen könnten.

Nach den Ergebnissen in Paris muss Österreich endlich spürbare Maßnahmen in Richtung Entkarbonisierung setzen, das Fiskalsystem entrümpeln und umweltschädliche Subventionen im Sinne einer klimagerechten Zukunft mittels einer ökologischen Steuerreform abschaffen,“ meint der Vertreter des Umweltdachverbands.

Wie wichtig Energieeffizienz ist, zeigt der neueste Bericht des JRC (Joint Research Centre der Europäischen Kommission) über die Wechselwirkung von Versorgungssicherheit und den Zielen der Europäischen Energieunion: So ist Österreichs negative Außenhandelsbilanz allein durch Energieimport, allen voran Öl und Gas, verschuldet.

Höhere Sanierungsraten mit besserer Qualität ein Muss für den Bestand
Auch Robert Lechner, Leiter des Österreichischen Ökologie-Instituts und Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ÖGNB, vertritt diese Zielrichtung.

Lechner benennt die österreichweit sofort anwendbaren Qualitätskriterien von klima:aktiv als notwendigen neuen Mindeststandard für die Bauordnung. Bei Fördermodellen muss sofort ambitionierter gedacht werden: „Im Neubau erfüllen hocheffiziente Gebäude in Passivhaus-Qualität bereits jetzt die Anforderungen für eine 40%ige Reduktion der CO2-Emissionen im Jahr 2030. Auch dafür wird das Passivhaus unverzichtbar sein.“

Aus der Sicht des ÖGNB-Vorsitzenden können erneuerbare Energieträger unter Wahrung von Naturschutzaspekten nur dann zur CO2-Neutralität oder gar positiven Energiebilanzen beitragen, wenn Gebäudehülle und sämtliche Verbraucher extrem optimiert werden. Beim Bestand muss es gelingen, sowohl die Sanierungsrate zu erhöhen, als auch die Qualität zu verbessern. „Nur wenn hohe Einsparungen erreicht werden, dürfen öffentliche Mittel vergeben werden. Wir wissen aus zahlreichen Projekten, dass Einsparungen von 75 Prozent relativ leicht erreichbar sind.“

Vom Bund, den Ländern und Gemeinden wird Vorbildwirkung verlangt: „Die öffentliche Beschaffung muss der wichtigste Impulsgeber für die Bauwirtschaft sein. Und zwar sowohl im Neubau als in der Sanierung!“ Auch hier wurden durch das Umweltministerium bereits im „Aktionsplan Nachhaltige Beschaffung“ die wichtigsten Grundlagen geschaffen. Es kann nicht länger angehen, dass derartige Instrumente oft nur Empfehlungscharakter haben und somit selten genug verwendet werden. Notwendig ist eine Bauoffensive, die die österreichische Wirtschaft kräftig ankurbeln soll. „Je später hier investiert wird, desto teurer werden die Kosten dafür sein. Wir können uns heute aussuchen, ob wir in die Qualität unserer Bauwerke investieren und damit Klimaschutz vorantreiben oder ob wir lieber morgen die Kosten für ein Fortschreiten des Versagens tragen wollen.“

Ein Maßnahmenkatalog der ÖGNB empfiehlt auch die gezielte Siedlungsentwicklung zur Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehrsbereich, die Zweckbindung der Wohnbauförderung, das Verbot der Förderung von fossilen Energieträgern und Neuausrichtung der Pendlerförderung. 

Kostenoptimaler Wohnbau hat bei nur 30-jährigem Betrachtungszeitraum äußerst niedrige Primärenergiekennwerte
Helmut Krapmeier vom Energieinstitut Vorarlberg zeigt auf, dass sich solche Wohngebäude langfristig gesehen rechnen:  „Die Ergebnisse  einer Kostenoptimalitätsstudie von e7 und dem Energieinstitut Vorarlberg zeigen, dass sehr tiefe Energiekennwerte nahe dem Passivhaus-Standard bereits ohne Förderung das Kostenoptimum darstellen. Aus der Studie geht auch hervor, dass mit den in den meisten Bundesländern bestehenden energiespezifischen Förderungen für Wohngebäude Nahezu-Null-Energiegebäude wirtschaftlich sind.“

Aktuelles Wohnbauprojekt in Vorarlberg
Für ein derzeit von einem Wohnbauträger in Bauvorbereitung befindliches Wohngebäude wurden verschiedene energetische Baustandards ausgeschrieben.  Es zeichnet sich ab, dass auch in diesem äußerst konkreten Fall jene energiespezifischen Bauvarianten dem Kostenoptimum entsprechen, die einen sehr tiefen Primärenergiekennwert erreichen.

Praxistest: Messungen bestätigen Energieeffizienz der Heidelberger Bahnstadt
Der Heidelberger Passivhaus-Stadtteil Bahnstadt hat den Praxistest bestanden: Wie aus einem Bericht über aktuelle Messungen hervorgeht, wurden die angestrebten Werte bezüglich der Energieeffizienz voll erfüllt. Der mittlere gemessene Verbrauch in 1.260 Wohnungen mit mehr als 75.000 m² Wohnfläche lag im Jahr 2014 bei 14,9 kWh/(m²a). Die statistisch hohe Zahl von Projekten unterschiedlicher Bauträger und Architekten zeigt überzeugend, dass die Breitenumsetzung des Passivhaus-Standards erfolgreich möglich ist.

klimaaktiv Standard Gold als Basis für Klimaziele Österreichs
Führt man die oben beschriebenen Erkenntnisse zusammen, kann der überregionale österreichweite klimaaktiv Standard Gold als Messlatte für die Erreichung der Klimaziele und als enkeltauglich bezeichnet werden. Bei Einsatz erneuerbarer Energieträger und nachwachsender Rohstoffe für Neubau und Gebäudesanierung entsteht eine enkeltaugliche Architektur. Eine Qualitätssicherung bei Planung und Ausführung ist selbstverständlich. Dass solche Gebäude auch einen Beitrag zur Baukultur leisten, beweist der „Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit“.    

Maßnahmen für „Road to ZERO by 2050“ vorgelegt

Fahrplan für einen CO2-freien Gebäudesektor bis 2050 in Österreich, Quelle: Passivhaus Austria

Passivhaus Austria ist für Sofortmaßnahmen, die noch einen Schritt weiter gehen: „Heute neu gebaute oder sanierte Gebäude werden frühestens 2056 wieder energetisch verbessert, daher ist ab SOFORT der energetisch BESTE Standard erforderlich. Die Bauordnung ist für Neubauten ab 1.1.2017 an den Passivhaus-Standard zu binden. Für den Gebäudebestand ist eine thermische Sanierungsoffensive mit mindestens 85 Prozent Energieeffizienzsteigerung oder Unterschreitung des qualitätsgesicherten EnerPHit-Standard mit 25 kWh/m²a einheitlich für ganz Österreich zu etablieren.“ Zusammen lässt sich so der Energiebedarf um 4.550 GWh/a bereits im Jahr 2020 reduzieren. Dies entspricht umgerechnet der Leistung von vier Donaukraftwerken und ist Voraussetzung für das weitere Zwischenziel 2030 mit 40 Prozent CO2-Reduktion und der Zielerreichung 2050 mit einer CO2 neutralen Klimabilanz für den gesamten Gebäudesektor.

„Sämtliche Bundes- und Landesförderungen sind an höchste Energieeffizienzziele zu binden. So könnten jedes Jahr über fünf Millionen Quadratmeter Altbau nachhaltig saniert werden. Allerdings darf kein Fördergeld für fragwürdige Einsparungen durch ungenügende Einzelmaßnahmen und mäßige Sanierungsqualitäten als Mitnahmeeffekte ausgegeben werden, welche sich dann langfristig wirtschaftlich kontraproduktiv auswirken“, betont Günter Lang, Leiter der Passivhaus Austria.

Nachhaltige Energiezukunft mit effizienten Gebäuden ist ein Muss
Die Experten sind sich einig: Gezielte Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare sind die zuverlässigsten Garanten, Energieimport-Abhängigkeit zu beenden. Österreich hinkt europaweit hinterher – es ist an der Zeit, unsere Klimazukunft sinnvoll und nachhaltig zu gestalten.