Marktpotenzial und Bekanntheitsgrad des Passivhauses in Österreich

 

Kurzfassung:

 

Die vorliegende Studie wurde von i-Cat im Auftrag des bmvit durchgeführt. Es wurden bestehende Publikationen zum Thema gesichtet, die bundeslandspezifischen Wohnbaufördersysteme im Hinblick auf das Thema dieses Berichts untersucht, sechs leitfadengestützte Interviews mit ArchitektInnen, Baumeistern, BauträgerInnen, WissenschaftlerInnen, InteressensvertreterInnen und Professionisten sowie 14 Interviews mit potenziellen PassivhausnutzerInnen und drei mit Passivhaus-BewohnerInnen durchgeführt. Schwerpunkt der Interviews waren die Themen Wirtschaftlichkeit des Passivhauses, Förderungen, Informationsbeschaffung, Wohngefühl und Wohnklima, Motive und Ressentiments sowie strukturelle Hemmnisse der Verbreitung.

 

 

Ausgehend von dieser Voruntersuchung wurden österreichweit 903 Personen mittels standardisiertem Fragebogen telefonisch befragt. Es wurde erhoben, wie stark Präferenzen für oder Ressentiments gegen das Passivhaus sind. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Quantifizierung der potentiellen Nachfrage und der Bekanntheit des Passivhauses. Viele Menschen sind mit der Passivhaus-Technologie noch nicht oder nur wenig vertraut. Darum wurde die Untersuchung als aktivierende Befragung konzipiert: Befragte, die das Passivhaus nicht kennen, wurden über seine wichtigsten Eigenschaften aufgeklärt. Damit leistet die Untersuchung durch Diffusion von Informationen zum Thema Passivhaus einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für das Thema Nachhaltigkeit.

 

 

In der vorliegenden Untersuchung konnte ein sehr hohes Marktpotential für die Passivhaustechnologie nachgewiesen werden: Nahezu 60 Prozent der ÖsterreicherInnen können sich vorstellen, in ein Eigenheim in Passivhausstandard zu ziehen. Derzeit (2009) werden jährlich etwa 4.600 neue Wohneinheiten im Passivhausstandard errichtet - das tatsächliche Marktpotenzial liegt um ein Vielfaches höher. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein bedeutender Anteil der weltweit realisierten Passivhäuser in Österreich gebaut wird, muss die Frage gestellt werden, worin die Gründe für die niedrige Ausschöpfung des Potenzials liegen.

 

 

Wissen über den Passivhaus-Baustandard ist in der Bevölkerung nur wenig verbreitet und - falls vorhanden - von einer Vielzahl von Vorurteilen geprägt. Es herrscht ein hoher Grad an Unsicherheit, der sowohl auf einem Mangel an gesicherten Informationen über verschiedene Eigenschaften des Passivhauses beruht, als auch - wie im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt werden konnte - auf einem massiven Negativlobbying durch jene Firmen am Bausektor, die durch einen hohen Standardisierungsgrad geprägt sind und bei einer stärkeren Verbreitung des Passivhaus-Baustandards mit massiven Umstellungskosten zu rechnen hätten (z. B. Fertigteilhausproduzenten). Die hohen Kosten und die Langlebigkeit von Häusern bringen eine verminderte Sensitivität des Baumarktes mit sich. Das Testen neuer Produkte oder Bauweisen ist schwierig und teuer und das führt zu risikoaversen Strategien von PlanerInnen und BauträgerInnen.

 

 

Unter ExpertInnen beschränkt sich das Wissen über das Passivhaus oftmals auf eine rein begrifflich-definitorische Kenntnis. Es muss unter potenziellen NutzerInnen wie auch unter ProfessionistInnen noch noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Ein großer Teil der ArchitektInnen und BaumeisterInnen hat sich aus vielerlei Gründen die für den Bau eines Passivhauses notwendige Expertise noch nicht angeeignet. Letzteren sollte im Hinblick auf eine stärkere Verbreitung des Passivhaus-Baustandards besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, zum Beispiel indem der Aufbau von Passivhaus-Fachexpertise ganz gezielt gefördert wird. Eine stärkere Verbreitung des Passivhauses wird davon abhängen, wie gut die Berufsgruppe der BaumeisterInnen von diesem Baustandard überzeugt werden kann und ob es gelingt, ihn auch in der Fertigteilhausproduktion zu etablieren.

 

 

Auf Ebene der NutzerInnen geht es vor allem um die Beseitigung von Unsicherheiten. Insbesondere in Hinblick auf die Verbreitung des Passivhauses in Bevölkerungsgruppen, die keinen hohen Stellenwert auf eine ökologische Bauweise legen, stellt sich die Frage: Wie viel kostet und bringt ein Passivhaus wirklich? Hier fehlen einheitliche Vergleichsstandards. Die große Schwankungsbreite der Schätzungen führt zu einem hohen Misstrauen gegenüber den kolportierten Kosten- und Nutzendimensionen. Darüber hinaus ist es aufgrund der großen Unsicherheiten wichtig, dass das Wohnen in einem Passivhaus persönlich erfahren werden kann - dem Thema Probewohnen muss ein wichtiger Stellenwert gewidmet werden, bereits bestehende Angebote müssen weiter ausgebaut und stärker propagiert werden.

 

 

Download

Marktpotenzial und Bekanntheitsgrad des Passivhauses in Österreich

Schriftenreihe 11/2010 M. Plate, W. Moser, G. Elvin , Herausgeber: bmvit
Deutsch, 129 Seiten

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Die Schriftenreihe "Berichte aus Energie- und Umweltforschung" des BMVIT dient der Veröffentlichung von neuen, ausführlichen Expertisen, Forschungsergebnissen und Tagungsbänden aus dem Bereich nachhaltiger Energie- und Umwelttechnologien.

 

 

Projektleiter:

Cinema New Media Informationsservice GmbH, I-Cat

 

Autoren:
Marc Plate
Winfried Moser
Gundula Elvin

 

 

In Kooperation mit:


IG Passivhaus Österreich

 

Mitwirkung von:
LANG consulting im Namen der IG Passivhaus Österreich