Europäischer Energiewende Masterplan vorgeschlagen

In Hannover tagen beim weltweit wichtigsten Kongress für energieeffizientes Bauen und Modernisieren vom 4. – 5. Mai über 1000 Experten aus 45 Nationen, um aus den umfangreichen Erfahrungen mit dem Passivhaus konkrete Lösungen für eine globale Energiewende durch Energieeffizienz zu erarbeiten. Weltweit bieten mittlerweile 40.000 Passivhäuser auf 20 Millionen Quadratmetern ihren unterschiedlichsten Nutzern höchsten Komfort und ersparen ihnen jährlich 240 Millionen Euro an Energiekosten – Tendenz stark steigend.

 

 

Hannover / Darmstadt, 04.05.2012 – Beim Staatshaushalt Sparen und dennoch Wachstum und Arbeitsplätze schaffen – das ist derzeit Topthema in der Europäische Union. Wie das vereinbar ist und gleichzeitig weitere positive Effekte daraus erwachsen, zeigt die 16. Internationale Passivhaustagung in Hannover eindrucksvoll. Wird die neue „EU Energieeffizienz Richtlinie“ rasch mit den erforderlichen Begleitmaßnahmen umgesetzt, könnte dies Europa bis zum Jahr 2030 in vielen Sektoren Vollbeschäftigung bringen, die Wirtschaft kräftig ankurbeln und die Verschuldung reduzieren.

 

Der Einladung des Passivhaus Institutes sind dieses Jahr über 1000 Teilnehmer aus aller Welt gefolgt. Etwa die Hälfte kommt aus nicht deutschsprachigen Ländern, besonders viele diesmal aus Südkorea, Japan, den USA, Großbritannien, Norwegen, Belgien und Frankreich. In 16 Arbeitsgruppen präsentieren 90 Referenten die Umsetzungen und Erfahrungen mit dem Passivhaus-Standard im Neubau und bei der Sanierung. Eingesetzt wird das Passivhaus in den unterschiedlichen Klimazonen und auch im Bereich des Nichtwohnbaus bis hin zum Krankenhausbau; die Einsparungen an Energie und damit CO2 liegen im Bereich von 80% gegenüber herkömmlichen Neubauten.


 
Gefordert: Ein Europäischer Energiewende Masterplan

In Europa existieren 5 Milliarden Quadratmeter Wohnfläche in Nachkriegsbauten, welche einen durchschnittlichen Heizwärmeverbrauch zwischen 140 kWh/m²a und 250 kWh/m²a aufweisen. Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Feist, Leiter des Passivhaus Instituts, hat die Eröffnung der 16. Internationalen Passivhaustagung zum Anlass genommen, der Europäischen Kommision und den Mitgliedsstaaten den Vorschlag zu unterbreiten, mit dem größten Investitionsprogramm seit 60 Jahren eine umfassende Energiewende in Europa herbei zu führen, von der alle profitieren können.

 

Mit einer Impulsförderung von € 80.- pro Quadratmeter Wohnfläche für die Sanierung mit einer mindestens 85%-igen Energieeinsparung (sog. „Deep Renovation“)*) können in der EU innerhalb weniger Jahrzehnte alle Nachkriegsbauten auf zeitgemäßen Komfortstandard verbessert werden.

*) „DEEP RENOVATION“ IST IM AKTUELLEN PAPIER DER „EUROPÄISCHEN ENERGIEEFFIZIENZ RICHTLINIE“ VOM 28.02.2012 DIE BEZEICHNUNG FÜR THERMISCHE SANIERUNGEN MIT MINDESTEN 80% ENERGIEEFFIZIENZVERBESSERUNG.

 

Eine wirkliche Win – Win – Win Strategie aus der Krise!

Dies würde bei einem Fördervolumen von 400 Mrd. € ein Investitionsvolumen von rund 3.000 Mrd. € in Europa auslösen – das der öffentlichen Hand allein durch Umsatzsteuereinnahmen einen Rückfluss von 600 Mrd bringt. Für die Bewohner der so verbesserten Wohnbauten ergibt sich sogar eine Ersparnis von rund 4.000 Mrd. € an Energiekosten innerhalb der üblichen Darlehenslaufzeiten. Ein nicht unbedeutender Zuwachs an Kaufkraft, wodurch die Wirtschaftsentwicklung nochmals gefördert wird. Dafür ist es allerdings entscheidend, dass dieses Investitionsprogramm Europaweit konsequent nur für wirklich nachhaltige „Deep Renovation“ vergeben wird - denn Sanierungen mit schlechterer Qualität zementieren nur die schlechte Effizienz, wie Dr. Feist betont.

 

So können jährlich 2,2 Millionen Green Jobs über den ganzen Zeitraum geschaffen werden. Außerdem wird dadurch mit 530 Mio. Tonnen CO2 Einsparung pro Jahr nachhaltig das Klima entlastet. Mit diesen Maßnahmen verringert sich das Handelsbilanzdefizit um 4.000 Milliarden €, womit die Finanzkrise der EU nachhaltig entschärft wird.

 

Vor allem würde dies Europa ein wesentliches Stück unabhängiger von Energieimporten fossiler Energieträger machen. Jährlich würden so 1.000 TWh an Energie eingespart. Damit wäre jegliche weitere Fehlinvestition in fossile und atomare Kraftwerke überflüssig und die Energieautonomie Europas mittels erneuerbarer Energieträger in greifbare Nähe gerückt.

 

Der Keynote-Redner und Ko-Vorsitzender des UNEP-Ressourcen-Panels Ernst Ulrich von Weizsäcker ergänzte, dass die Idee des EU Umweltkommissars Dr. Janez Potocnik und des EU Finanzkommissars Algirdas Semeta unterstützt werden sollte, Steuern auf Arbeit zu senken und auf Energie zu erhöhen, - bei Wahrung der sozialen Ausgewogenheit. Das wäre die richtige steuerpolitische Begleitmusik für den Energiewende-Masterplan.

 

Unzählige Beispiele zeigen auf der Tagung – es geht heute schon!

Ist es Luxus ein Rathaus auf Passivhaus-Standard zu bringen oder ein wirtschaftliches, nachhaltiges Unterfangen? Die Frage wurde am Beispiel eines typischen Verwaltungsgebäudes der 60er/70er Jahre untersucht. Eindeutiges Ergebnis – es zahlt sich nachhaltig wirtschaftlich für die Gemeinde aus!

 

Dass die verpflichtende Energieeffizienz-Richtlinie mit einer 20 prozentigen Energieeffizienzsteigerung bis 2020 keine Utopie ist und heute bereits wirtschaftlich und technisch umsetzbar ist, zeigt eine aktuelle Recherche quer durch Europa von Altbausanierungen mit "Deep Renovation" von öffentlichen Bauten. So wurden 150 Best Practice Beispiele von öffentlichen Gebäuden mit "Deep Renovation" aus Österreich, Deutschland, Belgien, Slowenien, Italien, Schweiz, Tschechien, Schweden, Dänemark, United Kingdom und Frankreich zusammen getragen. Ein Drittel der erfassten öffentlichen Bauten weisen sogar "Deep renovation" mit mehr als 90% Energieeinsparung auf.

 

Ein ehemaliges 50er Jahre-Fertigungsgebäude mit 13.000 m² Bruttogeschossfläche wurde in ein „Plusenergie“-Betriebs- und Industriegebäude in Hannover umgewandelt. Die Energieversorgung dieses Passivhauses erfolgt über Sonne und Biomasse. Dass selbst kulturhistorisch wertvolle Bauten zu Passivhäusern unter Wahrung der Substanz saniert werden können, wurde am Beispiel des 160 Jahre alten Bauernhauses „vulgo Weber“ aufgezeigt.

 

Die Sanierung eines Community Centers in London auf Passivhaus-Standard mit 95% Energieeinsparung unterstreicht die großen ökonomischen Vorteile. Weitere Beispiele aus San Francisco, Südkorea oder Brüssel zeigen die weltweiten Potentiale für derart engagierte Sanierungen auf. Erstmals werden EnerPHit-zertifizierte Wärmedämmsysteme mit Anschlussdetails für die Gebäudemodernisierung präsentiert, deren Wärmebrücken­verlustkoeffizienten direkt ins PHPP Passivhaus Projektierungs Paket übernommen werden können. Ein zertifiziertes Passivhausfenster der A Klasse in historischer Optik bietet auch für denkmalgeschützte Gebäude höchsten Komfort.

 

Leuchtturm-Regionen weisen den Weg

Die Stadt Freiburg zeigt anderen Kommunen, wie mit Beschlüssen erfolgreich der Energiestandard für Neubauten auf Passivhausniveau gehoben werden kann. Die Stadt Frankfurt a.M. hat bis heute insgesamt 45 öffentliche Gebäude im Passivhaus-Standard realisiert. Hamburgs Neubaustandard erfährt durch sein Qualitätssicherungsmodell eine nachhaltige Qualitätssteigerung im Bauen – für eine innovative Bauqualität auf hohem Niveau. Dass sich das Passivhaus auch für die öffentliche Verwaltung rechnet, zeigen die Landesbauten der LBB Rheinland Pfalz anhand eines Finanzamtes und eines Institutsgebäudes für Mathematik.

 

Von 0 auf 250.000 – das ist Speed auf Passiv!

Die Region Brüssel präsentiert, wie sich innerhalb von nur 4 Jahren die Passivhaus Fläche von 0 auf 250.000 m² rasant erhöht hat. Die Region Brüssel zeigt damit eindrucksvoll, wie die „EU Gebäude Richtlinie“ für 2021 bereits sechs Jahre früher konsequent mit dem Passivhaus-Standard umgesetzt wird. Dies macht deutlich, dass eine vermeintliche Utopie rasch Realität wird, wenn man auch die notwendigen Mittel nutzt und umsetzt.

 

Krankenhäuser bieten Riesenpotenial für Passivhaus-Standard

Erstmals werden bei der Internationalen Passivhaustagung auch Krankenhausprojekte in Passivhaus-Standard behandelt. Sei es der Neubau der Psychiatrischen Tageskliniken des LVR in Köln-Chorweiler mit lediglich 5,5% baulichen Mehrinvestitionen oder der Neubau des Klinikums in Frankfurt-Höchst mit 70.000 m². Das Thema Passivhaus-Standard im Krankenhausbau gewinnt rasch an Bedeutung, sind doch derzeit mit den Landeskliniken in den Thermenregionen Baden und Mödling mit 56.000 m², sowie dem Bettenhaus des Spitals Triemli in Zürich mit 49.500 m², und dem Chu Saint-Pierre Hopital et Laboratoire und dem L’Hopital du site „Paul Brien“ in Brüssel mit 24.000 m² bereits 7 Krankenhausobjekte in Passivhaus-Standard in Planung und Bau.

 

Passivhäuser in kalten Klimazonen

Wie müssen Passivhäuser in kalten Klimate konzipiert werden? Beispiele aus Wisconsin/USA, Schottland/UK oder die weltweit erste Passivhaus Tennishalle in Schweden von Tennis-Ass Stefan Edberg zeigen auf, welche Parameter besonders beachtet werden müssen.

 

Passivhäuser in heißen und feuchten Klimazonen

Der Neubau der österreichischen Botschaft in Jakarta/Indonesien macht deutlich, dass sich auch in heißen und feuchten Klimate der Passivhaus-Standard bestens bewährt und einen für dortige Verhältnisse völlig ungewohnten hohen Komfort und angenehmes Innenraumklima bietet – bei Einsparung von bedeutenden Kühlleistungen. In der Konzeptstudie eines Passivhauses in einer feuchtwarmen Klimaregion (Shanghai) macht Berthold Kaufmann neben der Dimensionierung der Gebäudehülle einen Vorschlag für ein Haustechnik-Konzept, welches die sommerliche Kühlung und Entfeuchtung mit der Zuluft bzw. mit einer sehr geringen Umluftmenge (2fach / Stunde) gewährleisten kann.

 

Die klimatischen Voraussetzungen in Bhutan mit subtropischem Klima bis extrem strengen Wintern bieten für den Einsatz der Passivhaus Technologie nahezu ideale Rahmenbedingungen. Ausführungsqualität und Beschaffung sowie richtige Verwendung von adäquaten Baumaterialien bleiben allerdings eine große Herausforderung in der Himalaya Region.

 

Wo Passivhäuser stehen dort lass dich ruhig nieder

In der Region Hannover gibt es bereits mehrere Hundert Passivhäuser. Allein im proKlima-Fördergebiet hat der enercity-Fonds seit 1998 rund 750 Passivhaus-Wohneinheiten bezuschusst. Hinzu kommen bereits über 50 Nichtwohngebäude im Passivhaus-Standard. "Ab 2006 zeigt unsere Statistik eine deutliche Zunahme. Hier wirkt sich sicherlich auch der damals einsetzende Energiekostensprung aus", sagt proKlima-Geschäftsführer Harald Halfpaap.

 

Die Nachfrage nach Passivhäusern wächst weiter. Bestes Beispiel: In Hannover-Wettbergen entsteht derzeit eine von Europas größten Null-Emissions-Siedlungen "zero:e park" mit 300 Passivhäusern. "Die Errichtung der Häuser des ersten Bauabschnitts ist in vollem Gange - einige sind schon bezogen. Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Vermarktung des zweiten Bauabschnitts sogar um ein Jahr vorgezogen", berichtet Halfpaap.

 

Hannover spielt mit der großen Zahl an Passivhäusern in Deutschland bundesweit in der 1. Liga. Dies ist der Grund dafür, dass die Internationale Passivhaustagung nach 2006 zum zweiten Mal in der Leinestadt zu Gast ist.

 

16. Internationale Passivhaustagung mit Passivhaus-Fachausstellung

Tagung: Freitag, 4. Mai und Samstag, 5. Mai 2012

Exkursionen: Sonntag, 6. Mai 2012

Rahmenprogramm ab 2. Mai 2012

Ort: Hannover Congress Centrum HCC

Theodor-Heuss-Platz 1-3

30175 Hannover

www.passivhaustagung.de


90 internationale Beiträge werden in 16 Arbeitsgruppen abgehandelt. Darüber hinaus runden die größte Passivhaus-Ausstellung mit Herstellerforum, ein Handwerker-Forum, eine internationale Herstellerbörse, ein Passivhaus Einsteigerkurs, eine Abendveranstaltung in der AWD-Fußballarena, sowie 8 Exkursionen das Programm ab.

Veranstalter der 16. Internationalen Passivhaustagung sind das Passivhaus Institut und proKlima- Der enercity-Fonds

 

Fotocredits: Mirko Bartels

 16.Passivhaustagung-Plenum Kuppelsaal-2012-01

 

 

 

 

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 16.Passivhaustagung-Weizsäcker-Feist

 

 

 

 

 

16.Passivhaustagung-Weizsäcker16.Passivhaustagung-Prof.Dr. Wolfgang Feist16.Passivhaustagung-Stadtwerke Dir. Harald Noske16.Passivhaustagung-Bgm. Stephan Weil 16.Passivhaustagung-ProKlima Stand 16.Passivhaustagung-Klimaschutzagentur Hannover 16.Passivhaustagung-Passivhaus immer ein Volltreffer